Warwick University

Im Gegensatz zu meinem Studium in Deutschland war der Master hier einfach ein angenehmes Erlebniss. Sich um die Studenten aktiv zu kümmern, das entspricht hier dem Selbstverständniss der hier Lehrenden. Gute von schlechten zu trennen, auszusieben, das scheint an vielen deutschen Universitäten dagegen immer noch eher dem akademischen Habitus zu entsprechen. Hier kann man sich das nicht leisten. Denn benimmt man sich als Professor in England arrogant, so vertreibt man ja seine eigenen Kunden.
Führt also die Abhängigkeit von den Studiengebühren, also den Geldern der Studenten zu einem Schmalspurexamen? Ich habe jetzt einen Master (MBA), muss aber sagen, die Menge des Stoffes hat den des deutschen Grundstudiums in BWL aus den 90ern nicht überschritten. Aber die Menge des Stoffes ist eben nicht alles. So fragwürdig ich zum Beispiel die zu dünnen Grundkurse im Bereich externes und internes Rechnungswesen fand, so spannend, informativ und praxisrelevant waren die Vorlesungen zum Thema «Menschliches Verhalten», «Change Management» und generell Motivation und Gruppendynamik. Hier in Warwick, da war nicht der Homo Oeconomicus die Standardannahme fast aller betriebswirtschaftlichen Modelle. Hier durfte ein Unternehmer auch aus Spaß Unternehmer sein, nicht nur weil das mehr Geld bringt.
Die Stärke vieler einzelner Vorlesungen als auch eines insgesamt sehr aktuellen Curriculums liegt nicht zuletzt darin, dass Warwick weit weniger als eine deutsche Universität ein geschlossenes System ist. Während praktisch alle mir bekannten Professoren in Deutschland Karriere ausschließlich im Hochschulbereich gemacht haben, sind in Warwick die Quereinsteiger keine Seltenheit. Bunter geht es dort zu. Und das führt dazu, dass über Spannendes berichtet werden kann und dass auch die Literatur besser lesbar ist als hier in Deutschland. Und auch die vielen Teamelemente im Studium sorgen hier dafür, dass man menschlich weiter kommt, spätestens wenn man gelernt hat, auch den Spanier in die Arbeitsgruppe zu integrieren.
Geprüft, das wird hier weniger als in Deutschland. Nur zwei Klausuren, dafür aber viele Assignments, also Essays mit wissenschaftlichem Standard. 70% der Studenten haben in unser Gruppe den Abschluss in der geplanten Zeit erhalten. Ist ein deutscher Master (oder ein Diplom) nun besser, weil schwerer? Kunden von Warwick sind nicht nur die Studenten. Letztendlich sind es auch die Unternehmen, die die Absolventen nach dem Abschluss beschäftigen. Die teilweise sogar das Studium bezahlen. Denn nur über die Akzeptanz der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt hat das Modell Warwick langfristig eine Zukunft. So sucht man hier aktiv den Kontakt in die Praxis, verkauft sich gegenüber allen Beteiligten alktiv und gut. Und hat am Ende eben doch vielleicht mehr Sinnvolles geleistet als einige Fachbereiche in Deutschland.
Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland nicht nur im Rahmen von Bologna die Begriffe «Master» und «Bachelor» übernehmen, sondern durchaus auch die Dienstleistungskultur, auch wenn diese sogar nicht in die Gremienkultur unserer Universitäten passen will. Und auch etwas weniger akademische Arroganz würde einigen Angestellten deutscher Hochschulen gut bekommen. Gerade ein paar Juristen habe ich da in echt schlechter Erinnerung.
Und den fünften Stern kriegt Warwick, wenn es jetzt noch lernt, den Leuten das Rechnen beizubringen.