Liliencronpark

Was kann einem Dichter schöneres passieren, als dass seine Heimatgemeinde einen Park nach ihm benennt? Eigentlich nur weniges, zum Beispiel, dass der ausgewählte Park auch noch besonders schön ist und dessen Schönheit auch dauerhaft erhalten wird. Letzteres kann man vom Liliencronpark leider nicht sagen. Das kleine Areal an der Wandse ist grün, aber die Gliederung enthält leider keine besonderen Stilelemente. Eine einfache Grasfläche, ein paar verstreute Bäume, die weder alt noch besonders pittoresk oder erhaben wirken, ein kleiner Teich ohne viel Charme allenfalls das steinerne Monument des Dichters weiß einen Akzent in der Einöde zu setzen. Ansonsten fällt mir bei meinem Gang auf, dass hier praktisch kein Mensch verweilt, kein Wunder, denn es sieht nicht sehr einladend aus hier. Doch, einer sitzt auf der Bank links bei den Haselnüssen, er trägt schlabbrige grauweiße Tarnhosen, einen Dreitagebart, einen leeren Blick und er kommuniziert sofort mit mir. Dichterworte sind aber seiner Gesinnung fern er verlangt leider nur Geld, weil seine Bierdose schon wieder leer ist. Ich gebe ihm keins.
Detlev von Liliencron wurde 1844 in Kiel geboren. Seine Karriere war recht wechselreich, ebenso die Themen seiner Lyrik. Einer kurzen Militärkarriere und Tätigkeiten in der Verwaltung folgten schnell erste Versuche als freier Schriftsteller. 1883 erschien sein erster Lyrikband Adjutantenritte und andere Gedichte. Es folgten weitere Bände mit recht martialischen Titeln. Sein lyrisches Werk ist wegweisender Bestandteil des Naturalismus des späten 19. Jahrhunderts. Liliencron, der vor allem als Verwaltungsbeamter unter anderem auf der Insel Pellworm aber auch als Klavierlehrer zehn Jahre lang in den USA und schließlich gelebt hatte, erlangte zwar in späteren Lebensjahren zunehmend Anerkennung, war aber lange Zeit von Schulden geplagt. Erst hier in Alt-​Rahlstedt, wo er ab 1901 lebte, besserte sich seine Lage aufgrund eines Ehrengehaltes, das der Kaiser ihm bewilligte. Er starb 1909, sein Grab befindet sich auch auf dem Rahlstedter Friedhof.
Vielleicht passt dieser Park zu diesem suchenden Auf und Ab seines Lebens? Liliencron war ein großer Kritiker des Bürgertums, der kapitalistischen Gier und wurde immer wieder gern zitiert:
Vor allen hier: in seinen scharfen Augen,
In seinem Rennen, seinem Sinnen lag
Nur eins, die unersättlich große Gier
Nach Gold, auf alle Fälle Geld zu machen:
Und mich befiel ein Grauen, ratlos fast
Sah ich mich um nach einem Halt. Da plötzlich
In all dem Schreien, Stoßen, Fluchen, Treiben,
Zog klar vorüber mir ein liebes Bild:
Ganz wie versteckt in Feld und Wald und Heide,
Fern von den Dörfern und den großen Straßen,
Liegt unser Haus vereinsamt und verloren,
in eines alten Gartens stiller Welt.
Sei berühmtestes Gedicht, Trutz, blanke Hans huldigt der untergegangenen Stadt Rungholt, die im 13. Jahrhundert bei einer großen Flut nahe der Insel Pellworm versank und wie allen derartigen Städte immer wieder Mythen heraufbeschwor vermutlich ist vor allem diese Themenwahl für die Bekanntheit des Werkes verantwortlich, denn die Deutschen lieben ja bekanntlich mystisches (und hier erfährt man dann auch, dass das Wortspiel Nordsee Mordsee nicht aus der Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts stammt):
Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
Liegen die friesischen Inseln im Frieden.
Und Zeugen weltenvernichtender Wut,
Taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut.
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
Der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
Trutz, Blanke Hans.
Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde
Ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
Die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen
Und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz, Blanke Hans.
Von all der Gewalt in Wort und Bild und Denken ist in diesem gelähmten Park leider nicht mehr viel zu ahnen.