Brahms Kontor

Irgendwie eigenartig — da stehen ständig Fotografen praktisch vor dem Brahms-​Kontor, aber alle drehen dem Gebäude den Rücken zu. Sie fotografieren nämlich die Laeiszhalle, alten Hamburgern eher als Musikhalle bekannt.
Dabei ist das Brahms-​Kontor sowohl von aussen als auch von innen überaus sehenswert. Einen Blick ins Foyer konnte man zum Beispiel beim Denkmaltag machen. Teile des Gebäudekomplexes sind schon bald 100 Jahre alt.
Highlight sind die sehr unterschiedlichen Plastiken an dem Gebäude. Schon als kleines Kind stand ich ganz fasziniert unter dem riesigen Elefanten und dachte nur ein wenig besorgt «Hoffentlich fällt der nicht runter…».
Auf die Geschichte gehe ich jetzt nicht näher ein, da Rebekka F. da schon sehr ausführlich drüber geschrieben hat.
BRAHMS KONTOR IM FILM:
Inzwischen ist das Gebäude durch den Film «A Most Wanted Man» (2014) von Anton Corbijn weltbekannt geworden. Er durfte nämlich sowohl vor als auch im Gebäude mehrere Szenen seines Films drehen.

Vor 2001 wäre an dieser Stelle vom «Gewerkschaftshaus» und dem «Karl-​Muck-​Platz» die Rede gewesen. Und die Älteren unter uns erinnern sich noch an die «Tangente», gut gelittene Anlaufstelle unter gern links orientierten Jugendlichen.
Damals befand sich gegenüber noch die «Musikhalle».
History!
History ist auch, dass an fast dieser Stelle zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein fünfgeschossiges Haus errichtet wurde, das als Wohn– und Geschäftshaus diente. In den zwanziger Jahren wurde auf acht Geschosse aufgestockt und, direkt zum Karl-​Muck-​Platz gewandt (damals sogar noch Holstenplatz), um einen klinkerverkleideten Stahlskelettbau ergänzt. Mit seinen Fünfzehn Geschossen war dieser, nach dem Vorbild amerikanischer Wolkenkratzer erbaute, Rotklinkerbau seinerzeit das höchste Bürogebäude Hamburgs.
Architekten des Baus waren die Herren Ferdinand Sckopp und Wilhelm Vortmann (endlich mal nicht schon wieder Höger).
Erstaunlicherweise nahm das Hochhaus während des Zweiten Weltkriegs kaum Schaden.
Neben wechselnden Bewohnern residierten hier u. a. das Weltwirtschaftsarchiv sowie das Polizeipräsidium und von hier aus koordinierte Helmut Schmidt die Einsätze während der legendären Sturmflut im Jahre 1962.
Tatsächlich mietete sich hier über Jahrzehnte sogar die Justiz ein, liegen doch die drei Gerichte in unmittelbarer Nachbarschaft.
Dann begann die Serie der Umbenennungen: der ursprünglich nach dem Chefdirigenten der Hamburger Philharmoniker benannte Platz wurde 1997 zum 100. Todestag von Johannes Brahms nach dem Komponisten umbenannt.
In der gleichwertig nebeneinander benutzten Bezeichnung «Musikhalle» und «Laeizhalle» setzte sich 2005 endgültig der Name des Stifters durch und das «Brahms Kontor» wurde getauft.
Und die ehemalige «Tangente» nennt sich heute «Kellertheater». Außerdem ist eine Konzertkasse nebenan eingezogen, sinnvoll bei der Nähe zur Musikhalle, pardon «Laeizhalle».
Das seit 2003 unter Denkmalschutz stehende Gebäude wurde für rund 36 Millionen Euro aufwendig instand gesetzt, teils sogar entkernt, und gehört heute zur ersten Riege hanseatischer Kontorhäuser.
Es lohnt sich bereits unter den Eingangsarkaden den Kopf in den Nacken zu legen und einen Blick an die reich verzierte Decke zu werfen, wo sich Keramik-​Reliefs einst deutscher Provinzen befinden. Reizvolle Ornamente und Mosaike schmücken die Arkaden, die einen reizvollen Rahmen für die moderne Silhouette des weißen Fernsehturms bilden.
Achtung: es besteht Nackenstarre-​Gefahr!
Betritt man das Innere des Kontorhauses, sieht man sich schönstem 20er-​Jahre Art Déco gegenüber, dessen warmrote Wandfliesen strahlend leuchten und in dessen güldenen Fahrstuhltüren die Dame sich durchaus noch einmal den Lidstrich nachziehen kann.
Man hält sich sogar einen «Concierge» mit eigenem Empfangspult und Visitenkarte.
Ein Schlendergang rund um das Gebäude zeigt auf der dem Pilatuspool zugewandten Seite einen riesigen Bronze-​Elephanten: «Anton» mit seinem Reiter erinnert an den ehemaligen Standort des Tierparks in den nahen Wallanlagen.
Auf der dem Holstenwall zugewandten Seite beeindruckt eine schlanke Säule überlebensgroßer nackter Jünglinge den Betrachter.
Grundsätzlich ist das gesamte Backstein-​Mauerwerk kunstvoll gemauert und weist diverse Muster auf.
Am beeindruckendsten ist der Anblick aus der Ferne von der Laeizhallenseite aus, wenn sich das Brahms Kontor in seiner ganzen Massivität präsentiert, über dem Eingang die schlanken Bronzelettern seines Namens.