Mutter Ey Straße

Die Erinnerungen täuschen und die Kindheitserinnerungen täuschen manchmal gewaltig. Was mit uns passiert, können nur wir beurteilen. Was die Geschichtschreibung angeht, gibt das natürlich auch jede Menge Irrtümer und Unstimmigkeiten, jedes Land hat ja schließlich eigene, aber die Tatsachen kann man nicht beugen.
Wenn Johanna Ey intelligent war, dann auf ihrer eigenen Art und Weise, ihre Weisheit und Geschäftsinn hat sie vom Leben und von keiner Universität der Welt. Sie stammt aus ärmeren Verhältnissen, hatte zwölf Kinder, von denen acht im jungen Alter starben. Als sie geschieden wurde, hat sie eine Kaffeestube in der Nähe der Kunstakademie geöffnet. Ziemlich schnell, als es sich herumsprach, dass man bei Johanna Ey anschreiben lassen kann, kamen immer mehr Studenten der Kunstakademie und Maler in ihr Lädchen. Um die angehäuften Schulden zu begleichen, haben sie sie gemalt statt ihr das Geld zurückzuzahlen. So ist eine große Sammlung entstanden, und aus einer einfachen Frau wurde eine Kunstmäzenin.
Weil sie mit mehreren dieser Künstler befreundet war, entschloss sie eine Kunstgalerie an der heutigen Heinrich-​Heine-​Allee zu gründen. Nicht umsonst hat der Kosename Mutter Ey sich so schnell eingebürgert. 1933 musste sie ihre Galerie schließen, weil fast alle Künstler in ihrem Umkreis gegen Nationalsozialismus waren. Viele Werke aus der Sammlung wurden beschlagnahmt und anschließend zerstört.
Bis heute gilt sie als meistgemalte Frau Deutschlands, obwohl sie keine Schauspielerin, Politikerin oder Sängerin gewesen war. Seien wir ehrlich, eine Schönheit war sie auch nicht. Aber das macht die Geschichte umso interessanter.

Als ich ungefähr neun Jahre alt war ging ich mal mit meiner Mutter durch die Einkaufspassagen und während sie ihre Erledigungen machte hopste ich neben ihr her und übte an Straßenschildern lesen.
Als ich das Schild der Mutter– Ey Straße laut vorlas musste ich schon ein bisschen kichern. Der Name klingt aber auch wirklich sehr lustig.
Meine Mutter erzählte mir daraufhin die Geschichte, wie es zu diesem Namen kam.
Ende des 19. Jahrhunderts lebte in Düsseldorf eine Frau die eigentlich Johanna Ey hieß, von allen aber nur Mutter Ey genannt wurde, weil sie liebevoll wie eine Mutter war.
Sie war eine sehr intellektuelle Frau, eine Kunstgaleristin, die einige Zimmer an arme Studenten der Kunstakademie vermietete.
Da die Studenten nicht immer zahlen konnten erließ sie ihnen die Miete einfach. Als Dank wurde ihr von den Studenten ein Denkmal erbaut. Es hängt in der Mutter Ey Straße an ihrem ehemaligen Haus. Man kann es nur sehen, wenn man den Kopf in den Nacken legt. Damit es nicht beschmiert wurde hängten die Künstler das Portrait ganz weit nach oben.