Es gibt hunderte von diesen kleinen Kneipen in Lissabon, die eines gemeinsam haben. Sie sind manchmal lauter als in Berlin, enger, schmaler, ein wenig auf den ersten Blick schmuddelig nach unserem deutschen Muster und haben mehr Personal bezogen auf die Sitzplätze in Berlin. In der Baixa, einem Stadtbezirk in Lisabon, welches nach dem großen Erdbeben von 1755 fast komplett zerstört wurde, hatte der Premierminister des Königs, Marques de Pombal die einmalige Gelegenheit, die Stadt von Grund auf neu zu errichten. Aus diesem Grunde enstand die schachbrettartige Form der Baixa. Für das Zentrum einer europäischen Hauptstadt ist diese Form weniger ungewöhnlich zu dieser Zeit. In Preußen, in Potsdam, in Paris baute man schon damals nach dem Schachbrettsystem. «Einen unterirdischen Gang über 2000 Km nach Bad Salzungen gibt es hier», denke ich, als ich vor dem Ninho Dorado Platz genommen habe. Dort, in Bad Salzungen entleerte sich damals, als es das große Erdbeben in Lissabon gab, mit einem großen Getöse der Burgsee. Das Wasser war verschwunden und Tausende Fische zappelten im Schlamm. Das steht davon im Archiv der Stadt: «Legende vom«Salzunger Seebeben» 1755 Am 1. November 1755 wurde die Hauptstadt Portugals, Lissabon, durch ein grosses Erdbeben zum größten Teil zerstört. Just zur selben Zeit, am gleichen Tage und zur selben Stunde geriet auch unser See in grosse Erregung. Sein Wasser kam in stark kreisende Bewegung und flutete Woge auf Woge, dreimal hintereinander in einem trichterförmigen Wirbel hinab, so daß die Ufer von allen Seiten nackt starrten und die Felszacken aus der verborgenen Tiefe dem staunenden Auge sichtbar wurden, als wollte alles Wasser in den Schoß der Erde verschwinden. Dann aber brausten die Fluten schäumend wieder herauf, von schwarzem Gischt bedeckt, und zwar mit solcher Heftigkeit, dass sie über die Ufer des Sees teilweise hinweg schossen und sogar die Stadt mit Überschwemmung bedrohten. Gleichzeitig waren solche Erdstöße spürbar, dass die Glocken der Stadtkirche von selbst anschlugen. Die ganze Erscheinung dauerte eine Viertelstunde. Über dieses merkwürdige Ereignis hat man lange, ganz ausführlich Protokoll aufgenommen und dem Herzog nach Meiningen übersandt. Diese Berichte hinterließen bei der Regierung einen solch tiefen Eindruck, dass man die Erscheinung als gotgesandt betrachtete und Herzog von Meiningen schrieb deshalb einen allgemeinen Bußtag aus, der am 10. Februar 1756 auch berichtet wurde, man habe nach dem geschilderten Ereignis eine portugiesische Soldatenmütze auf dem See schwimmen sehen und wenn man etwa damit sagen wollte, dass unser See unterirdisch mit dem Ozean verbunden sei, so beweist es wohl, dass dieser Teil der Legende in die Märchenwelt einzuordnen ist. Das Interesse, in einer fremden Stadt landestypisch Essen zu gehen, des Essens willen ist mir manchmal fremd. In unserer heutigen Zeit, wo besonders in den Großstädten alle Küchen der Welt zelebriert werden und man, wann immer man will, chinesisch, und wenn es denn sein muß, neugriechisch oder lateinisch essen vermag. Mich interessiert der Sozialisierungsgrad einer Kneipe. Warum, weshalb und wieso geht man dort hin? Mitten auf der Straße Rua Augusta 278 vor dem Ninho Dourado, dem Goldenen Nest, hat man ein Windschutzzelt aufgeschlagen. Das Publikum ist gegen 22.00 gemischt. 30⁄70 Touristen/Portugiesen. Bis so 20.00 Uhr sind Touristen dort aber überpoportioniert. Neben mir, zu einem Tisch, mit zwei älteren Portugiesen kommt eine Frau im Rollstuhl dazu gefahren. Diese Frau sah ich in der gleichen Straße Nachmittags mit einem großen Bettelbecher in der Hand intensiv betteln. Sie bekommt einen Cognacschwenker vom Kellner hin gestellt, aus einer Flasche Drouet et Fils wird großzügig eingeschenkt. Aha, denke ich, eine Bettlerin gönnt sich heute mal was Gutes. Na, dann aber so dreimal wurde der Schwenker gefüllt. Die Frau wurde immer lustiger. Dann sah ich einen komischen Hund, der bettelte auch am Eingang der Ninho Dourado. Der bekam immer was. Was der ständig bekam, hab ich nicht gesehen und meine ALDI Medion Digitalkamara, die ich dabei hatte, hat ein mieses Teleobjektiv. Dann sah ich nochwas. Ein obdachloser Typ mit Rastalocken hatte sich daneben vor der Hausnummer 276, einem Andenkenladen in einem Schlafsack zur Ruhe gelegt. Der stand dann auf und verlangte wohl vom Kellner die Musik vor der Kneipe leiser zu stellen. Das klappte nicht. Ich sah den Typen wenige Stunden später in einer anderen Straße auf dem Fußsteig seelig und ruhig schlafen. Wir verachten Bettler in Berlin. Nichtsnutze, Tagediebe, Schnorrer, Gammler werden sie prädikatisiert. Auf meinen Reisen habe ich aber oft gesehen, das das in anderen Teilen der Welt oft anders ist. Sehe ein Gefälle z.B. zwischen Marokko, wo es zum absoluten Seelenheil des Glaubens und der bürgerlichen Verantwortung gehört, Bettler selbstverständlich zu unterstützen. In Portugal bekommen Bettler von Touristen denkbar kaum was. Die