Franz-Josefs-Bahnhof

Der Franz Josefs-​Bahnhof ist etwas umstritten. Einerseits ist er Kopfbahnhof für Züge Richtung (bzw. von) Krems nach Wien, andererseits wiederum ist der Julius Tandler-​Platz ein beliebter Sammelpunkt für Obdachlose… wobei ich aber sagen muss, man muss sich ja nicht zu jeder Abend– und Nachtzeit in Bahnhöfen aufhalten wenn man ängstlich oder voreingenommen ist.
Jedenfalls beherbergt der Bahnhof sogar ein paar Geschäfte wie z.B. den Billa (Sonntags offen), einen Bipa, einen Anker, einen Friseur, einen kleinen Blumenhändler und auch eine Trafik.
Meine Erfahrungen mit dem FJB waren bisher nie schlecht, ich hab den jeweiligen Zug gleich ohne Umschweife gefunden…

Nicht der modernste Bahnhof, jedoch besitzt er eine Bäckerei, Friseur und ein Reisebüro

Nach einem Bombenabgriff im 2. Weltkrieg wurde der alterwürdige k. u. k.-Bahnhof zerstört und zusammen mit der WU Wien und der Bank-​Austria-​Zentrale zu einem sozialistischen Prunkbau neu aufgebaut.
Das Design erinnert frapant an die Uni Pristina.
Trotz des hässlichen Gebäudes wegen fast immer geöffneten Billa und McDonalds beliebt

Fahren da überhaupt noch Züge weg? Also egal, wohin mich meine Wege bisher geführt haben, nie musste ich hier die Bahn besteigen — bis auf vielleicht ein, zwei Regionalbahnen scheint der Bahnhof für den öffentlichen Verkehr keine Bedeutung zu haben. Dafür treffen am Vorplatz mehrere wichtige Straßenbahnlinien — 5, 33 und der D-​Wagen — aufeinander, immerhin!
Außerdem gibt’s hier einen dieser unsäglichen Supermärkte, die auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten offen haben dürfen. Entsprechend groß ist das Gewurl hier am Sonntagnachmittag, Spaß macht das nicht. Die ebenfalls lange geöffnete Trafik hat mich auch schon das eine oder andere Mal gerettet, aber auch hier stehen die Leute in langen Schlangen an.
Das große Bank-​Austria-​Gebäude, das über dem Julius-​Tandler-​Platz thront, ist allerdings recht spannend. Hat einen gewissen retro-​futuristischen Chic.

Der Julius Tandler Platz wird gerne auch mal Julius Sandler Platz genannt. Hier gibt es den Sonntags geöffneten Billa, der die vergesslichen oder Menschen mit Spontangusto rettet. Außerdem viele Trinker, die so etwas auch nötig haben.
Auch die Trafik hat hier länger geöffnet als anderswo.
Irgendwie sind hier fast alle Leute, die trinkend herumsitzen aus dem Osten, woher genau weiß ich nicht und warum das gerade hier so ist, finde ich ebenfalls mysteriös.

Der «Franzl-​Baunhof», wie ich ihn immer wieder liebevoll nenne, ist der undergroundigste der ganzen Stadt. Er ist düster, finster und die Gegend rund um ihn wird eher gemieden, vor allem abends. Und dennoch ist er besonders, denn man kann von Wien nach Krems oder ins Waldviertel oder ins Weinviertel fahren, ein Heurigenwochenende einschieben, um dem Wiener Wochenendwahnsinn (Mariahilfer Straße am Samstag, Gürtelbögen abends) zu entfliehen.
Für die Reise mit dem Zug kann ich mich immer wieder bestens mit Weckerl vom Billa, Zeitschriften von der Trafik und Zahnbürste (falls ich meine wieder mal vergessen hab) vom Bipa ausstatten. Außerdem finde ich am Franzl-​Bahnhof im Zug einen Sitzplatz, in Spittelau (der nächste Halt) wird’s dann schon schwieriger, vor allem am Freitag Nachmittag, wenn die ganzen Pendler nach Hause fahren.
Von diesem Bahnhof bis nach Spittelau hat man so gut wie keinen Handy-​Empfang im Zug, stört aber nicht, weil ich da sowieso nie ans Telefonieren denke. Das Gebäude (überdacht, aber nicht ganz) ist so beeindruckend, dass ich sowieso nix anderes tun möchte, als die Architektur aufzusaugen!

Ich stehe am Julius-​Tandler-​Platz und mein Blick ist nach oben gerichtet. Ziemlich lange. Man muss ja alles genau betrachten. Tolles Gebäude. Immer wieder.
Und da ich Zeit habe, entschließe ich mich, doch auch mal ins Innere zu schauen, wo ich doch schon unzählige male hier vorbeigekommen bin und das Gebäude immer noch nur von außen kenne.
Na ja. einige wenige Leute, Fahrscheinautomaten, eine normale, ziemlich kleine Halle — alles nicht sehr aufregend, aber ich habe ja auch nichts anderes erwartet.
Nach dem zweiten Weltkrieg war der Franz-​Josefs-​Bahnhof noch einer der «großen Wiener Bahnhöfe» — heute kennt jeder, der ihn überhaupt kennt, meist nur mehr das geniale Äußere, den Billa, der am Sonntag Leben retten kann oder die Präsenz der Obdachlosenszene am Bahnhofsvorplatz.

Als Kind hat mich der Glasverbau des Bank Austria Gebäudes — verbunden mit dem Bahnhof, immer sehr fasziniert… und in Verbindung mit der Erinnerung tut es das noch heute.
Welche Bedeutung dem Bahnhof früher auch immer zu Teil wurde, gegenwärtig erfreut er Menschen mit der Möglichkeit auch Sonntags einkaufen zu gehen. Dann schleppt man sich durch einen hoffnungslos überfüllten Billa, einen Drogeriemarkt und eine Trafik — ist natürlich praktisch aber auch gut wenn es sich vermeiden lässt — es kann dann doch einige Nerven kosten sich durch das Getümmel zu kämpfen.
Seine «Wichtigkeit» als Bahnhof, hat in den letzten Jahrzehnten deutlich eingebüßt.