Neue Weinsteige

Fluch und Segen der Berg-​Tal-​Verbindungen
Die Neue Weinsteige verbindet das Stadtzentrum im Talkessel zu den 200 Meter höher gelegenen südlichen Filderorten (Degerloch, Möhringen usw.) Von beiden Straßen aus hat man einen schönen Blick auf Teile der Innenstadt.
Ca 1400 wurde die Alte Weinsteige gebaut, ein extrem steiler Karrenweg (Steigung bis zu 18%, damit noch steiler als der berüchtigte «Schinderbuckel»), über den der gesamte Frachtfuhrwerksverkehr nach Süden laufen musste. Bis zu 16 Pferde waren als Vorspann nötig, um die Steigung zu bewältigen. Da nicht viele Leute so viele Pferde hatten, musste man die Lasten meist zu Fuß oder mit Ochsengespannen hinaufschleppen.
Etwas leichter wurde das Ganze, als entlang der Alten Weinsteige ab 1884 die Zahnradbahn verkehrte.
Die Alte Weinsteige mit ihren herrschaftlichen Villen und die «Zacke» gibt es noch, jedoch wurde der Autoverkehr stark reduziert und es fahren eigentlich nur noch Anwohner und Gäste der «Wielandshöhe» da lang. Und sehr sportliche Radfahrer. Eine qyperin meinte, sie sei auch ein beliebter Schleichweg für Auswärtige…
Da die Steigung der Alten Weinsteige ja nur mit Hilfe von großen Pferdefuhrwerken überwunden werden konnte, gab es seit Beginn des 19. Jahrhunderts Überlegungen zum Bau einer flacheren Verkehrsverbindung. Zwischen 1826 und 1831 wurde die Neue Weinsteige, eine vierspurige Panoramastraße, erbaut. Sie hieß anfangs Wilhelmstraße und bekam erst um 1850 ihren heutigen Namen. Sie gilt bis in unsere Zeit als ingenieurmäßige Pionierleistung. Der Bau dieser sich in eleganten Kurven nach oben schwingenden Straße war natürlich extrem teuer (musste sie doch förmlich in den Fels gesprengt werden), weshalb die Stadt für die Passage der Strecke bis 1922 Zoll– und Pflastergeld erhob. Nach ihrem Erbauer ist die Etzelstraße benannt, die von der Neuen Weinsteige abzweigt.
Der obere Teil der Neuen Weinsteige ist als Hauptaus– und –einfallstraße Teil der Bundesstraße 27, während sie im unteren Teil eher zur Wohnstraße geworden ist. Allerdings ist die gesamte Straße wegen des sensationellen Panoramas und der teils schönen alten Stadtvillen auf der einen und des Dauerlärms und der Ruß– und Feinstaubbelastung auf der anderen Seite eine etwas ambivalente Wohnlage. Zunehmend findet man daher Büros unter dieser Adresse.
Über die Weinsteige schiebt sich ein Großteil des Berufsverkehrs morgens und abends, was zuverlässig Staus verursacht. Ist auf der Autobahn dann auch noch Stau und die Fahrzeuge weichen über die B 27 aus, um durch die Innenstadt zu fahren, ist es noch schlimmer. Zudem verzeiht die Weinsteige (vergleichbar zu einer Paßstraße) nicht den kleinsten Fahrfehler, auf der einen Seite geht es steil in die Weinberge, auf der anderen noch steiler in den Talkessel. Die geringste Unsicherheit und ein Unfall ist da. Kein Wunder, dass Ortsunkundige meist mit eher gedämpften Tempo unterwegs sind. Trotzdem «kracht» es hier durchschnittlich einmal im Monat, meistens weil Allzusportliche Kurven schneiden und prompt in den Gegenverkehr geraten. Inzwischen drei «Blitzer» dämpfen wohl punktuell etwas das Tempo, viele geben aber nach Passieren einer der Anlagen erst recht Gas, weil ihnen die Kontrolle lästig gefallen ist.
Früher fuhren auch noch die Straßenbahn und diverse Filderbusse über die Weinsteige, was die Sache nicht gerade einfacher machte. Die Straßenbahn hat man in einen Tunnel gesperrt (Anwohner und diverse andere Stuttgarter wünschten allerdings, man hätte das lieber mit den Autos gemacht) und die Filderbusse enden nun in Degerloch.