Kaiser-Wilhelm-Denkmal

Als ich im August in Stuttgart unterwegs war, fiel mir in Zusammenhang mit meinem Besuch im Lapidarium, das im Neuen Schloss untergebracht ist, ein großes Reiterdenkmal auf dem gegenüber liegenden Platz aus. Einen Check ließ ich zunächst aus, machte mich aber natürlich noch am gleichen Tag schlau, was sich mir da so zeigte. Und so erfuhr ich, dass auf dem Karlsplatz nicht etwa ein Karls-​Denkmal, sondern ein Kaiser-​Wilhelm-​Denkmal befindet. Dieses schaute ich mir dann bei meinem nächsten Stuttgart-​Besuch im November näher an.
Als im März 1797 der zweite Sohn des späteren preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. geboren wurde, den man unter anderem auf den Namen Wilhelm taufte, rechnete sicherlich niemand damit, dass dieser später preußischer König und sogar deutscher Kaiser werden würde. Doch dies ergab sich halt — der ältere Bruder Friedrich Wilhelm (IV.), der 1849 die ihm angetragene Kaiserkrone ablehnte, war nämlich kinderlos. Unabhängig davon, ob er nicht wollte — er konnte wohl einfach nicht… Und so wurde der «Kartätschenprinz» Wilhelm, schon länger offiziell Thronfolger, 1858 zunächst zum Regenten und 1861 als Nachfolger seines Bruders König. Und es wurden bewegte Zeiten, 1864, 1866 und ¹⁸⁷⁰⁄₇₁ standen Kriege an. Und der neue König wurde 1871 zum Kaiser proklamiert.
Deutschland war — jedenfalls im seinerzeit kleindeutschen Sinne– unter neuer Führung vereinigt, die Hegemonialmacht Preußen gab den Ton an. Es wurden Firmen gegründet, Städte explodierten — und eine spezielle Art Nationalstolz begann zunehmend, fröhliche Urstände zu feiern… Das wilhelminische Zeitalter begann. Und der zunehmend betagte Monarch, durchaus vom Lotsen Bismarck geleitet, wurde immer mehr zum Symbol der neuen staatlichen Einheit und des neuen Stolzes.
Fast schon konsequent, dass unter Wilhelms Enkel Wilhelm, der seinem Vater, der nur 99 Tage regieren sollte, im Drei-​Kaiser-​Jahr 1888 nachfolgte, der Wilhelm-​Kult boomte.
In diesem Kontext ist auch der Bau eines recht monströsen Reiterdenkmals in Stuttgart zu sehen, das seit den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts den Karlsplatz ziert. Auf einem recht monströsen, begehbaren Podest, für das Thiersch verantwortlich zeichnete, erhebt sich eine wohl überlebensgroße Reiterfigur hoch zu Pferde. Eigentlich wie ein römischer Caesar reitet Wilhelm. In den südlichen Ecken befinden sich Obelisken mit wesentlichen Daten und Ereignissen von ¹⁸⁷⁰⁄₇₁.
Auch wenn dieses Denkmal sicherlich gut in die damalige Zeit gepasst hat — mir ist es viel zu kolossal und versprüht für mich zu viel von dem Geist, der in den 1. Weltkrieg gemündet hat. Zudem fehlt hier für mich jegliche kritische Information zum Denkmal und seiner Geschichte. Obwohl sich das anböte. Schließlich hat der wilhelminische Zeitgeist durchaus Unheil gebracht. Und davon nicht zu wenig.